Breitensport - Ist das Fitness fürs Leben? Ein Überblick zur umstrittenen Sportart Crossfit

2023-03-23 16:26:28 By : Ms. Carbon Yan

Crossfit hat sich vom Sporttrend zur Sportart entwickelt und ist in der Welt angekommen. Was beinhaltet die Fitnesssportart überhaupt und wieso wird sie so kontrovers diskutiert?

300'000 US-Dollar. So hoch war das Preisgeld für die Siegerin und den Sieger der diesjährigen Crossfit-Weltmeisterschaften, den sogenannten Crossfit-Games. Die hohe Summe zeigt, wie sich Crossfit seit seiner Gründung im Jahr 2000 und den ersten Games 2007 entwickelt hat. Enorm. Der Spitzensport mit den Games, wo sich die Athleten zum Beispiel im Handstand-Sprint messen, ist das eine.

Vor allem aber wuchs die Sportart seitdem im Breitensport und zog Unmengen von Leuten an. Ein Grund dafür ist die Philosophie der Sportart. Prepare for the Unknown. Bereite dich auf das Unbekannte vor. Auf das Unbekannte, das im Alltag auf einen wartet. Fitness fürs Leben sozusagen. Das mag spannend klingen, was aber steckt dahinter?

Crossfit ist ein Ganzkörpertraining mit konstant variierenden funktionellen Bewegungen, die bei höherer Intensität ausgeführt werden. So definiert es der Ex-Crossfit-Athlet und Luzerner Trainer Jonas Müller. Springen, Sprinten, Schwimmen. Rennen, Rudern, Radfahren. Klettern und Turnen. Sowie Training mit Hanteln und dem eigenen Körpergewicht. All diese Disziplinen werden im Crossfit miteinander kombiniert und meistens in Zirkel-Form ausgeführt. So wird nicht nur Kraft und Ausdauer trainiert, sondern auch Schnelligkeit, Koordination, Balance und Beweglichkeit.

Man absolviert zum Beispiel zehn Liegestützen, 20 Kniebeugen und 40 Seilsprünge. Der ganze Ablauf wiederholt sich während 15 Minuten und ein ganzes Training kann so aussehen:

15 Minuten Krafttraining (Kniebeugen und Klimmzüge)

Fünf Minuten Pause und Vorbereiten des Work-outs of the Day (WOD)

15 Minuten WOD: zehn Liegestützen, 20 Kniebeugen und 40 Seilsprünge – das Ganze so oft wie möglich wiederholen

Zehn Minuten Aufräumen, Cool-Down

Funktionell bedeutet dabei, dass ganze Bewegungen und mehrere Muskeln gleichzeitig trainiert werden. In Verbindung mit der Vorbereitung auf den Alltag heisst das für Müller: «Wenn wir üben, einen Kornsack aufzuheben, ist dies vergleichbar mit einem schweren Koffer, den man im Zug in der Ablage oben verstauen muss.»

Für Müller macht Crossfit diese Vielfalt an Übungen aus. Dass er Übungen beliebig kombinieren könne und immer wisse, was das Ziel des Trainings ist. Mal mehr Ausdauer, mal mehr Kraft oder Schnelligkeit. In einem Training leitet er etwa zehn Personen gleichzeitig. «Die Gruppendynamik ist gewaltig. Jeder feuert jeden an, egal wie viele Wiederholungen man schafft.» Im Crossfit kommen Leute mit unterschiedlichen Voraussetzungen in einem Training zusammen und bewältigen dasselbe Programm. Übergewichtige trainieren mit Leistungssportlern im gleichen Raum. «Das macht es aus. Jeder ist ein Athlet», sagt Müller.

Aber ist ein Übergewichtiger nicht anfälliger für Verletzungen, wenn er das gleiche Training wie der Leistungssportler mit hoher Intensität ausführt? Müller sagt: «Die Übungen sind individualisierbar. Jeder leistet, was er kann. Wenn eine Person koordinativ nicht Seilspringen kann, dann ersetzt sie diese Übung zum Beispiel mit normalem Hüpfen. Der Leistungssportler wiederum probiert sich an doppelten Seilumdrehungen. Wir Coaches sind dazu da, die saubere Ausführung der Übung zu überwachen.» Das persönliche Coaching rechtfertige gemäss Müller den hohen Preis für ein Crossfit-Abo: 1’500 Franken kostet es in etwa. Doppelt so viel wie im Fitness-Center.

Genau dieses Coaching wird aber auch von vielen Seiten kritisiert. Der Aargauer Michel Fink, Leistungssport-Trainer im Olympischen Gewichtheben, betont, dass viele Crossfit-Trainer ungenügend ausgebildet sind. Tatsächlich kann der erste Kurs, um sich Crossfit-Trainer nennen zu können, an nur einem Wochenende absolviert werden. Fink findet das äusserst unsachgemäss und fahrlässig:

Es berge höchstes Risiko für Verletzungen bei den Kunden: «Im Crossfit stemmen Leute nach zwei Wochen Training eine Langhantel hoch, die vorher teils noch nie Sport gemacht haben. Das Ganze, kombiniert mit zu hohen Intensitäten, kann zu Rückenschäden und anderen Verletzungen führen.»

Es sind deutliche Worte, die Michel Fink wählt. Er kritisiert die Sportart scharf. Denn es müsse sich einiges ändern: «Im Grunde ist der Gedanke von Crossfit, ein Ganzkörpertraining zu machen, etwas Gutes und nichts Neues. Jedoch müssen die Trainingsmittel zuerst erlernt werden. Mit der jetzigen Trainingsform macht Crossfit die Leute mehr kaputt als fit und gesund. Es ist zumindest nicht nachhaltig.»

Klar ist: Die Crossfit-Trainer haben eine hohe Herausforderung, in dem sie bei all ihren verschiedenen Teilnehmern auf die Technik und Ausführung achten müssen. Denn in einem Training mit Gewichten, verbunden mit hoher Intensität, ist die Verletzungsgefahr erhöht. Dazu kommt, dass die Teilnehmer voneinander oft bis ans Limit gepuscht werden und sich deshalb für gewöhnlich gegen Ende die Konzentration und Übungsausführung verschlechtert.

Dem stimmt auch Jonas Müller zu:

Zahlen zu Verletzungen sind keine bekannt. Bekannt ist aber, dass es in der Schweiz mittlerweile gegen die 180 Crossfit-Center gibt, weltweit gar über 15'000. Den Auftakt der Crossfit-Games 2020 vor einem Monat haben auf Youtube knapp zwei Millionen Menschen verfolgt. Wer Crossfit noch immer als Trend bezeichnet, liegt falsch. Crossfit hat sich vom Trend weiterentwickelt. Wohl nicht zur Fitness fürs Leben, aber es ist im Leben angekommen. Als neue Sportart.

Crossfit-Games 2020: Gewichtheben auf Tempo bei den Frauen:

Und die Highlights der Crossfit-Games 2020: